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Es könnte alles so einfach sein, oder? Wenn wir ein bisschen mehr so wären, wie wir eigentlich sein müssten oder sollten, zumindest nach der Vorstellung diverser Religionen und Weltanschauungen, also treu und integer, monogam und ehrlich, durch und durch gut und nie auch nur entfernt triebhaft gesteuert, dann würden wir alle früher oder später den richtigen Deckel finden und glückselig das Paradies der monogamen Paarbeziehung bis ans Lebensende genießen. Das schaffen aber nur die Wenigsten. Und ob die richtig glücklich sind? Wenn man sich so umsieht in der Verwandtschaft, wenn man mitbekommt, wie sich die lieben Großeltern bei ihrer Goldenen Hochzeit gegenseitig fertigmachen, wie sie sich nur noch gerade so ertragen, dann darf man daran doch ein bisschen zweifeln. Machen wir uns nichts vor, diese monogame Geschichte ist zwar wunderschön und romantisch, aber sie scheitert vielfach kläglich. Es gibt dazu diverse Umfragen, bei denen immer aufs Neue Ähnliches herauskommt. Etwa die Hälfte der Menschen in Deutschland gehen im Verlauf einer Beziehung mindestens einmal fremd. Wir sind wahrscheinlich gar nicht monogam, oder nur insofern, dass wir uns Monogamie von unseren Partner*innen wünschen, während wir selbst … Dazu kurz eine nette Umfrage: Die meisten Männer wünschen sich von ihrer Traumfrau Treue. Das sagen etwa 90 Prozent. 85 Prozent wünschen sich dazu Zärtlichkeit, 80 Prozent Zuverlässigkeit und 30 Prozent Bildung. Kein Witz. Männer … Mal sehen, was die Traumfrauen so treiben. Im Urlaub ohne Partner würde sich zum Beispiel jede zweite Frau auf einen Seitensprung einlassen. Knapp 40 Prozent der Frauen sagen, sie würden auf jeden Fall fremdgehen, wenn ihnen der „richtige“ Typ über den Weg laufe, gute 30 Prozent können sich einen Seitensprung auf einer Party vorstellen, ein Viertel würde aus Revanche mit einem anderen Mann ins Bett gehen und knapp 20 Prozent würden nach einem Streit zum Fremdgehen neigen. Absolut immer treu? Das sagen nur 15 Prozent der Frauen. Matcht irgendwie nicht so richtig gut mit den Wünschen der Männer, oder? Scheint so, dass die Monogamie tatsächlich nur ein moralisches Konzept ist, dass wir uns inzwischen aber alle so sehr eingebläut haben als das Non plus ultra, dass uns alle anderen Konzepte zunächst fragwürdig erscheinen. 


Bevor wir hier nun noch ein bisschen tiefer einsteigen in die Monogamie, zuerst eine kurze Vorbemerkung, weil eben so viel von Männern und Frauen die Rede war. Es sind hier im Folgenden immer alle mitgedacht. Es geht nicht um sexuelle Orientierungen oder diverse Geschlechter, es soll um verschiedene Beziehungsmodelle gehen. Und in allen Modellen finden sich natürlich alle Orientierungen und Geschlechter. Es wäre übrigens schön, wenn wir das leidige Thema im 21. Jahrhundert endlich mal vollständig abräumen könnten. Es gibt Männer und Frauen, aber halt noch viel mehr. Und das ist gut so. Zulässig ist bei uns Menschen nur ein Unterscheidungsmerkmal: Arschloch – oder kein Arschloch. Ansonsten sind wir alle in aller Unterschiedlichkeit völlig gleich. (Wer durch Queerfeindlichkeit auffällt, darf sich gerne zur ersten Kategorie zählen). Genug davon. Ärgerlich, dass wir uns immer noch damit beschäftigen müssen.

Zurück zur monogamen Beziehung. Wir sehen, dass solche Beziehungen inflationär scheitern. Müssen wir sie darum nun ablehnen? Natürlich nicht. Monogame Beziehungen sind wunderschön. Es beginnt immer mit diesem Drogenrausch, der Phase der akuten Verliebtheit. Der Körper produziert pausenlos Phenylethylamine, die wie ein Aufputschmittel funktionieren. 24 Stunden Zweisamkeit sind so überhaupt kein Problem, die Brille ist rosarot, es gibt keine Zweifel. Bei Männern sinkt der Pegel nach drei bis sieben Monaten, bei Frauen bleibt er etwas länger auf einem höheren Niveau (schon wieder Männer und Frauen, aber es gibt ansonsten leider noch keine validen Untersuchungen). Erst nach dieser Phase entscheidet sich, ob eine Beziehung noch länger dauert. Während dieser ersten Phase ist Untreue kein Thema. Auch dieses „Problem“ beginnt erst in Phase zwei. In beiden Phasen, vielleicht schon in der ersten, aber spätestens in der zweiten Phase, sollte man miteinander nun Verabredungen treffen. Soll die Beziehung monogam sein? Und haben beide Seiten die gleiche Vorstellung davon, was monogam meint? Man kann die Grenzen ja durchaus unterschiedlich setzen. Und wieder Frauen und Männer: Für 40 Prozent der Frauen beginnt Untreue schon mit einem Kuss. Bei den Männern sind es 30 Prozent. Für 10 Prozent der Männer und Frauen beginnt Untreue sogar noch eher, nämlich bereits beim Flirten, auch wenn der Flirt harmlos ist. Etwa 45 Prozent aller Männer finden, dass Untreue gleich Sex ist und alles davor nicht zählt. Bei den Frauen sagen das knapp 40 Prozent. Man sollte also die Standpunkte abgleichen, sonst ist Ärger vorprogrammiert.

Hat man seine Verabredungen für seine monogame Beziehung getroffen, kann die Zweisamkeit weitergehen. Zwei Menschen sind nun ziemlich exklusiv emotional und sexuell miteinander verbunden. Und das hat diverse schöne Vorteile. Man kann sich in so eine Beziehung hineinlegen wie in eine Hängematte. Beide fühlen sich sicher in ihrer emotionalen Bindung, man vertraut einander, man segelt sozusagen in ruhigen Gewässern. Und das Boot liegt stabil im Wasser. Man baut sich gemeinsam sein Nest, man setzt miteinander auf Langfristigkeit, auf Kontinuität. Was ebenfalls Sicherheit bietet, denn man entwickelt zusammen Lebensziele und Pläne. Die Zukunft ist nicht ungewiss, sondern vorstellbar. Man hat gemeinsame Träume und Wünsche. Und man ist sich einfach sehr nah, man ist sehr intensiv miteinander verbunden, man kennt sich gegenseitig und lernt sich immer besser kennen. Im Vertrauen fasst man vielleicht auch den Mut, die eigene Sexualität zu thematisieren und Wünsche zu äußern. Man sorgt auch im Bett füreinander. Und man kann, auch das ist für viele ein echter Vorteil, auf „anstrengende“ Verhütungs- und Schutzmethoden verzichten. Sind beide treu, sind Infektionen ja ausgeschlossen. Es ist also unterm Strich gar kein Wunder, dass die monogame Beziehung die Beziehungsvariante ist, in der bevorzugt Familien gegründet werden. Die Stabilität bereitet den entsprechenden Boden.

So, und nun folgt natürlich sofort die Vertreibung aus dem Paradies. In vielen monogamen Beziehungen entwickelt eine Seite, und entwickeln vielleicht sogar beide Seiten, gerne mal Besitzansprüche. Du bist mein Eigentum! Schnell brodelt so die Eifersucht. Und dann werden z. B. gerne Freundschaften fehlinterpretiert. Mit dem oder der triffst du dich bitte nicht mehr! Die Eifersucht ist wirklich ein Killer, leider auch im wahrsten Sinne des Wortes. Im Jahr 2022 gab es in Deutschland alle drei Tage einen Mord an einer Frau und alle zwei Tage einen Tötungsversuch – und Eifersucht ist ein Hauptmotiv.

Da nimmt sich das nächste Problem eher kleiner aus: Galoppierende Langeweile. Eine gewisse Routine stellt sich ein, auch im Bett. Ewige Monotonie. Und mit der Monotonie wächst möglicherweise die Unzufriedenheit. Gut, wenn das nicht so ist, wenn es in der Partnerschaft gelingt, Sex zu einem schönen Hobby zu machen, an dem beide Spaß haben. Aber das müssen erstens beide Seiten wollen und daran müssen zweitens beide Seiten gleichermaßen auf Augenhöhe arbeiten. Nicht so leicht.

Schließlich gibt es noch einen letzten, nicht seltenen Pferdefuß. Wenn man auf Langfristigkeit setzt, vielleicht eine Familie gründet, ein Haus baut oder kauft, dann entstehen Abhängigkeiten. Man schließt höchstwahrscheinlich Kompromisse, man stellt stellenweise die eigenen Bedürfnisse zurück. Und dann steht plötzlich immer gleich ganz viel auf dem Spiel. Wenn es kriselt, wackelt sozusagen die gesamte Existenz. Und wenn in solchen Krisen die Rollen ungleich verteilt sind, die eine Seite mehr von der anderen abhängig ist, dann kann der Schuss ziemlich nach hinten losgehen. Macht auf der einen Seite heißt dann Ohnmacht auf der anderen Seite. Stärke und Selbstbewusstsein auf der einen Seite führen zu Angst, zu Trennungsangst auf der anderen Seite.

Und nicht zuletzt gibt es ein „Argument“ gegen monogame Beziehungen, dass man gerade in den letzten Jahren immer häufiger hört. Wer sich exklusiv und vielleicht auf viele Jahre bindet, wer sich ganz und gar auf einen anderen Menschen einlässt, der setzt sich natürlich dem Risiko aus, am Ende einer solchen tiefen Beziehung in Schmerz und Trauer zu versinken. Um dieser stets drohenden Verletzung aus dem Weg zu gehen, vermeidet man darum lieber gleich „zu“ emotionale Bindungen. Man macht lieber nicht ganz auf. Man investiert lieber nicht alles. Man fährt sozusagen mit leicht angezogener Handbremse. Was natürlich auf Dauer nicht funktioniert, aber trotzdem sehr gerne praktiziert wird.

Probleme über Probleme, doch trotzdem ist die monogame Beziehung das, was sich die meisten Menschen noch immer wünschen. Und jetzt sind wir mal kurz böse: Man lernt sich kennen und schwört sich schon nach einer Woche ewige Treue. Ein blauäugiger Sprung in die unbekannte See. Zeit vergeht. Man verliert den anderen ein bisschen aus den Augen, man vernachlässigt die Beziehung. Zeit vergeht. Man stellt fest, dass es auch noch andere attraktive Menschen gibt. Zeit vergeht. Man bekommt ein Kind und das „Projekt“ verlängert die Partnerschaft. Vielleicht folgen noch weitere Projekte. Zeit vergeht. Und dann sind die Kinder flügge und der andere wohnt irgendwie nur noch zufällig im gleichen Haus.

Okay, das ist schwarzgemalt, das muss nicht immer so sein. Es gibt Paare, die schaffen den gemeinsamen Sprung in die Unendlichkeit. Und es ist wunderschön, solche Paare zu erleben. Diese tiefe Verbundenheit, diese Gemeinschaft. Das berührt etwas in uns allen. Wir wünschen uns Sicherheit, wir wünschen uns ein so starkes Band. Aber die Liebe über die Zeit zu retten und gemeinsam verliebt miteinander respektvoll und achtsam alt zu werden, das gelingt den Wenigsten. Viele Paare trennen sich, manchmal noch nach vielen Jahren. Und viele Paare werden zwar gemeinsam alt, aber von Respekt und Achtsamkeit fehlt jede Spur.

Viele Menschen kennen solche Paare, kennen Beziehungen, in denen sich Verbitterung breit gemacht hat, aus nächster Nähe. Es sind oft ganz einfach die eigenen Eltern, die sich ein Gefängnis aus Abhängigkeiten und Verpflichtungen gebaut haben. Und die sich im Zweifel nicht mehr ausstehen können. Was entsteht, wenn man solche Beispiele vor Augen hat? Genau, man probiert alternative Beziehungsformen, die vielleicht besser funktionieren.

Eine mögliche Form ist das direkte Gegenteil zur monogamen Beziehung. In der offenen Beziehung sind beide Seiten aufgeschlossen für sexuelle Beziehungen mit anderen Menschen. Man gewährt sich gegenseitig diese Freiheit, wobei natürlich unterschiedliche Grade der Offenheit und Regeln festgelegt werden können. Und einen klaren Vorteil hat diese Geschichte auf den ersten Blick: Langweilig dürfte es so kaum werden. Beide Seiten haben die Freiheit, ihre sexuellen Bedürfnisse mit anderen Menschen auszuleben, sich auszuprobieren, auch Praktiken zu versuchen, die in der Hauptbeziehung vielleicht nicht erlaubt sich, weil eine Seite damit nichts anfangen kann. Aber das alles erfordert natürlich ein paar Bedingungen. Offene Beziehungen brauchen in der Regel eine hohe Ebene der Ehrlichkeit und Kommunikation. Wobei man aber festlegen sollte, wie weit die Kommunikation geht. Ist es unbedingt nötig, wirklich alles über den letzten Seitensprung, die letzte Affäre zu berichten? Sollte man die Details vielleicht sogar besser weglassen? Wobei, es kann natürlich sein, dass die Erzählungen ein Teil der Sexualität in der offenen Beziehung sind. Dann los! Nichts auslassen.

Es gibt natürlich diverse Spielarten offener Beziehungen. Manche fahren gemeinsam in den Swingerclub, manche suchen sich im Internet Spielpartner*innen oder andere Paare. Viele haben das Erlebnis aber auch gerne exklusiv für sich allein. Allen Unterarten gemein ist aber, dass es ohne ein gewisses Urvertrauen nicht geht. Die Affären dürfen die Hauptbeziehung nicht infrage stellen. Beide Seiten müssen sich sicher fühlen, dass die Beziehung darübersteht und Bestand hat. Alles nicht so einfach. Weswegen offene Beziehungen sich meistens entwickeln und nicht einfach gestartet werden. Es beginnt vielleicht damit, dass eine gute Freundin, ein guter Freund, ein befreundetes Pärchen zu Besuch ist und mit ein paar Gläsern erste Hemmungen fallen. Viele Paare erzählen von einem langen und manchmal auch gar nicht so einfachen Weg in ihre offene Beziehung, sie berichten von Lernprozessen, von Entwicklungen der eigenen Persönlichkeit, vom allmählichen Sieg über die Eifersucht.

Womit wir auch schon bei den Nachteilen sind, denn natürlich bleibt immer ein Rest Unsicherheit. Und da geht es nicht, wie man vielleicht denken könnte, um Safer-Sex-Fragen – das sollte man ohnehin nie vernachlässigen. Die Frage ist vielmehr: Was, wenn da doch mal jemand auftaucht, der oder die gefährlich wird für die Beziehung? Was, wenn eine Seite sich verliebt? Dieses Risiko ist der offenen Beziehung immanent. Häufiger ist aber ein ganz anderes Problem: Es herrscht nur theoretisch Augenhöhe. Und praktisch erlebt die eine Seite weitaus mehr Abenteuer als die andere Seite. Ein solches Ungleichgewicht kann natürlich Spannungen provozieren. Zumal wenn der Sex immer mehr aus der offenen Beziehung verschwindet, wenn beide Seiten nur noch Affären aber miteinander keinen Sex mehr haben.

Was sich mittlerweile zumindest in unseren Breitengerade ein bisschen gelegt hat, ist die Stigmatisierung solcher offenen Beziehungsmodelle. Natürlich, ein Besuch im Swingerclub oder die kleine Orgie im heimischen Wohnzimmer sind noch immer tabuisiert. Aber die soziale Ächtung hält sich inzwischen in Grenzen. Und die jüngeren Generationen zucken ohnehin nur noch mit den Schultern. Die offene Beziehung ist momentan noch eine Ausnahme, aber sie wird zunehmend salonfähiger und die Idee fasziniert zumindest theoretisch sehr viele Menschen. Denn immerhin kann man so dem Hauptgrund für Trennungen ein Schnippchen schlagen. Funktionierende offene Beziehungen sind meist ziemlich glückliche Beziehungen.


Eine dritte Beziehungsvariante und eine Unterart der offenen Beziehung ist die Polyamorie. Bei diesem Modell haben Menschen gleichzeitig sexuelle und romantische Beziehungen zu mehreren anderen Menschen, mit dem Wissen und Einverständnis aller Beteiligten. Ein Vorteil ist natürlich, dass die verschiedenen Partner*innen jeweils unterschiedlichste Bedürfnisse und Interessen befriedigen können. Die Absprachen sind dieselben wie in einer offenen Beziehung. Auch bei diesem Modell braucht es sehr viel Kommunikation und Ehrlichkeit. Mit der gesellschaftlichen Akzeptanz ist es noch nicht so weit her. Polyamorie wird noch immer stigmatisiert und nicht vollständig akzeptiert, was allerdings häufig auf einem Missverständnis beruht. Viele Menschen denken bei Polyamorie an Männer, die sich sozusagen einen Harem zugelegt haben, was aber etwas ganz anderes ist. Polyamorie bezeichnet im Grunde nur eine Möglichkeit, nämlich die, mehrere Menschen gleichermaßen und gleichzeitig lieben zu können.

Ein insbesondere bei jüngeren Generationen zunehmend beliebtes Beziehungsmodell ist die Freundschaft Plus. Zwei Menschen, die normalerweise befreundet sind, nehmen zusätzlich eine sexuelle Komponente in ihre Bindung auf. Man geht bouldern und ab und zu mal miteinander ins Bett. Die Freundschaft plus ist ein Gegenmodell zur traditionellen romantischen Beziehung. Man geht keine Verpflichtungen ein, man muss keine großen Erwartungen erfüllen, man ist frei und bleibt ungebunden. Und man riskiert keinen Herzschmerz, weil die Beziehung so tief dann doch nicht ist. Dadurch, dass man öfter miteinander ins Bett geht, entsteht meist eine angenehme Vertrautheit und im besten Falle hat man entspannten, stressfreien Sex. Wichtig sind aber auch hier klare Absprachen zu den Erwartungen und Grenzen.

Denn machen wir uns nichts vor, die Freundschaft Plus geht sehr oft schief, meist, weil eine Seite dann doch mehr romantische Gefühle entwickelt als für so eine Freundschaft Plus auf Augenhöhe gesund sind. Die Verwirrung der Gefühle ist oft groß, klare Grenzen sind schwer einzuhalten, emotionale Konflikte sind vorprogrammiert. Auf der anderen Seite – wenn es funktioniert, kann dieses Modell sogar über Jahre tragen. Bis sich der Freund oder die Freundin in jemand anderen verliebt, eine monogame Beziehung probiert und das Plus entsprechend gestrichen wird.

Es gibt natürlich noch ein paar andere Beziehungsmodelle. Manche schwören zum Beispiel auf Fernbeziehungen. Man macht in der Woche ohne Verpflichtungen sein eigenes Ding und genießt an den Wochenenden die Zweisamkeit. Für andere ist Sex uninteressant und die asexuelle Beziehung folglich die entspannteste Variante.

Und es gibt nicht zuletzt noch das wahrscheinlich häufigste Beziehungsmodell mit ein oder zwei lügenden Fremdgehenden. Sie haben sich entschieden, gelegentlich oder dauerhaft in einer Affäre mit anderen Menschen ins Bett zu gehen, was sie aber in der Beziehung verschweigen. Interessant ist, dass viele dieser Fremdgehenden sagen, dass sie auf jeden Fall ihre Partner*innen lieben und die Beziehung Bestand haben soll. Dass sie emotional treu sind. Manche behaupten auch, dass sie ihre Seitensprünge verschweigen, um dem geliebten Menschen an ihrer Seite nicht wehzutun. Vielleicht ist das nur eine Ausrede. Vielleicht ist es aber auch manchmal die einzige Möglichkeit, gerade wenn die Interessen im Bett sehr weit auseinandergehen und der oder die Partner*in zudem sehr eifersüchtig ist, man aber trotzdem nicht auf die Erfüllung der eigenen Wünsche verzichten will. Klar, manche brauchen auch einfach den Kick des Verbotenen. Man kann das alles natürlich moralisch fragwürdig finden, mahnend den Zeigefinger heben und auf mehr Ehrlichkeit pochen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass sehr viele monogame Beziehungen eigentlich offene Beziehungen sind, nur eben ohne, dass die Partner*innen davon etwas ahnen.

Kann man nun abschließend zu einer Variante raten? Zum verlogenen Modell sicher nicht, denn wenn solche Geschichten auffliegen, kann die emotionale Verletzung riesengroß sein. Bei solchen Konstruktionen gibt es fast immer ein Ungleichgewicht, ein Machtgefälle. Der oder die Betrogene wird belogen, getäuscht und nicht selten sogar boshaft verlacht. Wer unbedingt trotzdem fremdgehen will, sollte darum ein paar kurze Regeln beachten. Nicht im Beziehungsbett, keine Gespräche über die Beziehung, keine Lästereien, keine Herabwürdigungen. Sollte es herauskommen, ist so immerhin noch ein Verzeihen möglich. Aber schöner sind natürlich alle lügenfreien Varianten. Wer in einer längeren Beziehung steckt und sich dabei erwischt, nicht mehr ganz so einwandfreie Phantasien zu entwickeln, der kann ja mal versuchsweise eine Frage in den Raum stellen: „Stellst du dir eigentlich manchmal Sex mit anderen vor?“ Das könnte vielleicht der Beginn einer ganz neuen und sehr viel ehrlicheren Beziehung sein. Könnte aber auch sein, dass man achtkantig rausfliegt. Eine Garantie übernehmen wir hier lieber nicht.

>> VA

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