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Der besondere Studi-Job: Kamerafrau | Zurück

Film ab! Katja sprintet los und verfolgt konzentriert das Geschehen. Sie ist Kameraassistentin. Zumindest dieses Wochenende und auch die drei vorherigen. Fast jedes Wochenende und auch häufig unter der Woche ist sie für diverse Projekte irgendwo unterwegs. Bei Drehs fürs Fernsehen, für ein Musikvideo und und und … Eigentlich studiert sie Visuelle Kommunikation an der Hochschule Hannover. Aber mittlerweile ist das längst nicht mehr das Einzige, was bei ihr im Fokus steht.

Wie sieht dein Weg bis hierher aus?
Ich habe während der Schulzeit angefangen zu arbeiten, weil ich Geld brauchte. Oder besser gesagt den Ansporn hatte, endlich mein eigenes Geld zu verdienen, wie wahrscheinlich viele in dem Alter. Angefangen zu arbeiten habe ich mit 16 Jahren in einer Bäckerei, da bin ich aber relativ schnell weg. Dann habe ich eine Zeit lang gekellnert, bei Veranstaltungen und Konzerten, auch im Stadion in der Nordkurve, wobei man sich auf jeden Fall eine dicke Haut zulegt. Außerdem im Restaurant vom Landtag, was auch nicht immer einfach war. Nach diesen ganzen Jobs war mir schnell klar, dass ich endlich einen Job will, bei dem man fair und als Mensch behandelt wird. Ich habe angefangen, eine Weile ehrenamtlich in einem Kulturzentrum zu arbeiten, ich habe Kinder und Jugendliche in Malen und Basteln unterrichtet. Und durch die Mama eines Kindes bin ich dann an meinen allerersten Designjob geraten. Mein Auftrag war es, eine Gin-Flasche zu designen. Das sollte dann der Haus-Gin von einem Hotel im Harz sein. Ich war zu dem Zeitpunkt noch nicht ausgelernt und entsprechend zuerst ein bisschen überfordert, aber am Ende ist alles gutgegangen und ich bin mit dem Ergebnis total zufrieden. Heute arbeite ich immer noch in dem Kulturzentrum, studiere seit 2019 Visuelle Kommunikation an der Hochschule Hannover und wirke außerdem mittlerweile bei verschieden Filmproduktion mit.

Wie kam es dazu, dass du mittlerweile bei Filmproduktionen mitarbeitest?
Das 5. Semester ist an meiner Uni das Praxissemester, man kann sich zwischen Auslandssemester und Praktikum entscheiden. Und ich habe mich für das Praktikum entschieden. Ich habe mir schon immer gedacht, dass es echt cool wäre, in der Filmbranche zu arbeiten, aber ich hatte davon gar keinen Plan. Wir hatten zwar auch einen Filmkurs an der Uni, aber da haben wir eher nur die Basics gezeigt bekommen. Nie wurde uns erklärt, wie man wirklich zum Film kommt. Ich wollte das gerne auf die professionelle Art lernen. Durch meine Professorin kam ich dann als Set-Runnerin an ein Filmset. Wir haben in Hannover und Umgebung gedreht. Wegen Corona-Beschränkungen war jedoch alles sehr runtergeschraubt – ich war kaum bei der wirklichen Crew anwesend. Außerdem war es „nur“ ein Studi-Film, aber ich fand es trotzdem direkt total geil. Das Kamerateam war von Eyewerk. Als ich dann einen Praktikumsplatz gesucht habe, habe ich die angeschrieben. Ich hatte kaum Erfahrung, immerhin habe ich eigentlich Grafikdesign studiert. Ich hatte jedoch mal ein Musikvideo komplett auf eigene Faust für mein Studium produziert und gedreht, und scheinbar reichte das, um einen Platz zu bekommen. Trotzdem war es letztlich durch die Pandemie sehr eingeschränkt in der Zeit. Ich durfte nicht zu allen Projekten mit, weil es eine maximale Anzahl an Personal gab. Bei ein paar Projekten konnte ich aber doch mithelfen, viele Studi-Filme, aber auch ein Image-Film für die Region Hannover. Da hatte ich die Position der Kamerafrau und konnte tatsächlich echt viel lernen. Auch nach meinem Praktikum wurde ich zum Glück noch häufig von Eyewerk angeschrieben und durfte bei vielen Projekten mitwirken. Und das mache ich heute noch.

Wie sieht bei dir eine typische Woche oder ein typischer Monat zwischen Studium und Nebenjobs aus?
Unter der Woche besuche ich meine ganzen Unikurse und arbeite an meinen Studienprojekten. In schlimmen Semestern hatte ich so 10 Projekte laufen. Von freitags bis sonntags hatte ich dann häufig Drehs, meistens tagsüber von 8 Uhr morgens bis spät in die Nacht. Nicht die besten Arbeitsbedingungen, aber leider so üblich bei No-Budget-Drehs. Es macht ja auch Spaß, man liebt das, man ist dann irgendwie süchtig nach dem Filmset. Zumindest ist das bei mir so. Den ganzen Tag in der Bäckerei stehen, das könnte ich mir nicht vorstellen, aber dieser Job ist mein Passion, da ist das was anderes. Es erfüllt mich einfach und das liebe ich daran. Nach so einem Wochenende ist man aber auch, egal wie viel Spaß man hatte, erstmal ein bisschen ausgelaugt. Nebenbei mache ich auch noch meine Nebenjobs. Einmal die Woche gebe ich Unterricht oder leite Workshops für Kinder, die leider auch häufig am Wochenende stattfinden. Dann muss ich immer abwägen: Will ich meinen Nebenjob ausüben, um Geld zu verdienen oder zum Filmset, das ich liebe, aber wo ich kein Geld bekomme. Dank BAföG sind zumindest nicht alle Wochenenden für den Nebenjob draufgegangen.

Gibt es nie eine Bezahlung? Lohnt sich das dann überhaupt oder ist es eher eine Investition in die Zukunft?
Ich wünschte, es gäbe eine Bezahlung oder zumindest eine kleine Entschädigung, aber meistens kann man damit nicht rechnen. Natürlich ist das bei den großen und professionellen Filmsets anders, aber die meisten Projekte, bei denen ich bislang mitgewirkt habe, haben nicht das Budget. Dafür kann man sich sicher sein, dass alle mit Herzblut dabei sind. Gerade als Quereinsteiger*in, wie ich eine bin, muss man sich bewusst machen: Es ist einfach kein Beruf, den mal voll ausgelernt hat. Es ist ein kreativer Beruf, für den man nonstop neue Techniken erlernen kann und muss. Man bildet sich nonstop weiter. Kreativ, aber auch technisch. Und dafür muss man regelmäßig an Filmsets. Am Anfang meines Praktikums war ich ehrlicherweise ein bisschen überfordert von dem Technikwissen, das gebraucht wird für diesen Job. Mit jedem neuen Update muss man sich neu reinfuchsen. Mein Studium konnte mir da kaum helfen. Man muss engagiert sein, ich musste mir alles selbst beibringen. Für mich ist es das wert. Je häufiger ich bei einem Projekt dabei bin, umso besser und schneller werde ich. Das ist eine gute Vorbereitung für die wirklich großen Sets. Also ist das auf jeden Fall eine Investition in die Zukunft. Trotzdem muss man aber auch von irgendwas leben. Ich glaub, ich habe da mein Gleichgewicht gefunden. Letztlich muss das aber jeder und jede für sich entscheiden.

Wie kommst du an diese Projekte?
Das läuft meistens über Bekannte von Filmsets oder über die Firma, bei der ich mein Praktikum gemacht habe. Ich werde häufig zuerst einfach nur mitgenommen. In der Filmbranche ist das so üblich, da läuft meistens alles über Kontakte. Wenn mein Studium vorbei sein wird, wird das ein bisschen einfacher, weil ich dann flexibler bin. Immerhin sind die Drehs nicht immer nur in Hannover oder um die Ecke.

Wollen nicht alle immer lieber vor die Kamera, was zieht dich hinter die Kamera?
Ich bin einfach keine Rampensau. Ich musste tatsächlich manchmal schon spontan als Komparse vor die Kamera und das war auch immer lustig und ganz nett für neue Profilbilder, aber das hinter der Kamera stehen, das erfüllt mich einfach und macht mich glücklich. Dieses Backstage sein oder die Arbeit mit der Crew. Wenn sich 12 Stunden nicht wie 12 Stunden Arbeit anfühlen. Vor allem, wenn man mehrere Tage dreht für einen Spielfilm oder ähnliches, dann entwickelt sich da eine Family heraus. Immerhin ist man tagelang auf engstem Raum zusammen. Man kommt an ein neues Filmset und man trifft alte und neue Gesichter – ein bisschen wie ein Klassentreffen. Es ist immer mit viel Spaß und Freude verbunden. Und wenn ich ehrlich bin, ist es hinter der Kamera so viel witziger als vor der Kamera.

Wie sehen deine Aufgaben bei den Projekten aus, bei denen du dabei bist?
Ich habe angefangen, ein paar Departments zu übernehmen. Departments sind verschiedene Arbeitsgruppen, wie das Lichtdepartment, die kümmern sich ums Licht, klar. Aber auch das Kameradepartmet, das Regiedepartment, die Script Superviser und Continuity, Schauspiel, Maske … Mittlerweile habe ich häufig die Aufgabe des Second IC, also 2. Kameraassistentin übernommen. Ich kümmere mich um den Technikaufbau und die Techniküberprüfung. Die Kamera besteht aus sehr viel mehr Teilen als man vielleicht denkt. Mit den ganzen technischen Einzelheiten belästige ich euch jetzt mal besser nicht. Bei den Drehtagen am Set baue ich die Kamera für den Kameramann oder die Kamerafrau auf. Entsprechend muss ich beachten, ob sie auf der Schulter getragen werden soll für die Szene oder auf Schienen laufen soll, etc. Außerdem welche Objektive gebraucht werden. Als Second IC schlägt man zum Beispiel auch die berühmte Klappe. Der zweite Job, den ich sehr mag und auch schon häufig gemacht habe, ist Continuity oder Scripts Supervisor. Als Continuity ist meine Aufgabe, auf alle kleinsten Details zu achten. Als Perfektionistin bin ich da ganz gut aufgehoben. Ich achte darauf, dass keine Filmfehler entstehen. Das kann auf so einen langen Zeitraum schon mal echt anstrengend werden. Der Job ist eigentlich ein bisschen verhasst, aber ich liebe den. Es ist schon Kleinstarbeit, immerhin muss man darauf achten, dass jede Uhr richtig gestellt ist, jedes Mal die gleiche Hand benutzt wird, und und und. Ein bisschen Tricky, aber mir macht es Spaß.

Was liebst du am meisten am Job? Und was waren deine größten Herzensprojekte?
Was ich am meisten Liebe, ist die Crew. Vielleicht habe ich bis jetzt auch einfach nur Glück gehabt, aber bis jetzt ist es jedes Mal aufs Neue unglaublich spannend und lustig. Jeder Dreh ist eine neue Story. Meine Herzensprojekte waren bis jetzt mit einer Regisseurin, deren Projekte mir sehr gefallen. Mit ihr arbeite ich eng zusammen und mit ihr sind auch in der Zukunft ein paar Projekte geplant. Ansonsten sind eigentlichen alle meine eigenen Projekte meine absoluten Herzensprojekte. Ich hoffe, in die kann demnächst mehr Zeit investieren.

Was ist das Herausforderndste an diesem Job?
Auf jeden Fall die Arbeitszeiten. Die unbezahlten Arbeitszeiten. Man muss stressresistent sein, man muss schnell arbeiten, aber gleichzeitig gute Arbeit leisten und konzentriert sein. Das kann herausfordernd sein. Häufig überzieht man und damit muss man rechnen. Ich hatte letztens auch einen Nachtdreh und das ist nicht das Beste für den Körper. Da muss man sich für 5 Tage darauf umstellen, plötzlich tagsüber zu schlafen und nachts zu arbeiten. Und das alles meistens unbezahlt. Das kann auch frustrieren, aber man muss sich leider erst einmal einen Namen machen oder auch einfach Erfahrung sammeln, bevor man Gehalt bekommt. Das betrifft leider viele kulturelle Branchen. Wahrscheinlich sogar alle. Wahrscheinlich kommt die Filmbranche dabei sogar noch ganz gut weg. Überall fehlt das Geld, aber die Stadt unternimmt auch nichts, daran etwas zu ändern.

Was genau machst du bei deinem Studium und hilft es dir für die Arbeit als Kamerafrau/-assistentin?
Was ich beim Studium mache, hat leider nur wenig damit zu tun, was ich letztlich bei der Arbeit mache oder brauche. Das Grafik-Design-Wissen, der ästhetische Blick und das Wissen für die Software hilft mir schon, aber eben nur manchmal. Im Studium setzen wir uns hauptsächlich mit Grafik-Design auseinander. Beispielsweise mit dem designen von Buchcovern, Filmplakaten, Flyern oder auch Websites. Wie baut man eine Website auf? Wie programmiere ich eine Website? Wie baue ich einen App-Prototypen? Wie mache ich ein Magazin? Wie layoute ich Texte? Wie schreibe ich Texte? Wie entwickle ich eine eigene Schrift? Wie illustriere ich zum Beispiel Comics? Wie entwickele ich eine Geschichte? Und so weiter. Weniger Film, mehr Design. Die Kurse, in denen wir Filmtheorie behandelt haben, und gelernt haben, wie man ein Video schneidet, waren hilfreich, ansonsten eher weniger. Ich mache jedoch tatsächlich mittlerweile auch häufig Filmplakate für Filme, bei denen ich mitwirke und auch darüber kommt man manchmal wieder an einen neuen Job. Dafür war das Studium letztlich nützlich.

Ist Kamerafrau zu werden dein Traum, oder könntest du dir auch vorstellen, in Richtung Grafikdesign zu gehen?
Eigentlich wollte ich immer, bevor ich angefangen habe beim Film zu arbeiten, meine eigenen Geschichten schreiben. Ich wollte Regie führen. Aber je länger ich beim Film arbeite, desto mehr habe ich festgestellt, dass es beim Film so viel mehr mögliche Berufe gibt als man vorher dachte. Regie und Kamerafrau sind immer noch die großen Träume, ich will unbedingt eigene Projekte auf die Beine stellen und leiten, aber es gibt so viele Rollen, die besetzt werden müssen, für eine gelungene Filmproduktion und auch die finde ich total interessant. Wenn ich erzähle, dass ich häufig als 2. Kameraassistentin arbeite, haben viele Leute im Kopf, dass ich einen relativ unwichtigen Job mache, immerhin bin ich nicht nur die Assistenz, ich bin sogar 2. Kameraassistenz. Tatsächlich ist das aber ein unglaublich wichtiger Job, ohne den es nicht läuft. Und ich könnte mir mittlerweile tatsächlich auch vorstellen, Continuity professionell zu machen und das mehr zu verfolgen. Leute, die diesen Job gut beherrschen, sind Mangelware. Mir macht er unglaublich Spaß, warum also nicht? Und auch Filmplakate zu designen ist ein Zweig, den ich auch weiterhin verfolgen will. Hätte mir Grafikdesign nie Spaß gemacht, hätte ich mein Studium ja nie in diesem Bereich angefangen. Ich würde Grafikdesign in meiner zukünftigen Karriere nie ausschließen.

Was machst du gerade in der Uni?
Mein letztes Projekt war tatsächlich meine Bachelorarbeit. Ein Animationsfilm in 2D über Cyber Grooming. Cyber Grooming meint den sexuellen Missbrauch im Internet gegenüber Kindern und Jugendlichen. Kein blumiges Thema, aber total wichtig, gerade in Zeiten der extremen Digitalisierung. Ich wollte unbedingt einen Film machen, ich habe noch nie einen Animationsfilm gemacht, also, dachte ich, probiere ich das mal aus. Und ich bin auch sehr zufrieden mit dem Ergebnis.

Welche Filmprojekte stehen in der näheren Zukunft auf dem Plan?
Vor allem meine eigenen, für die ich hoffentlich jetzt endlich die Zeit habe. Ansonsten weiterhin ein paar Filmdrehs, immer wenn ich es einrichten kann. Es sind ganz vielseitige Projekte geplant, mal historisch, mal typisch amerikanisch, mal nach wahren Ereignissen und über Flucht, und ganz viel mehr. Ich glaube, ich habe auf jeden Fall ein paar Geschichten, die ich erzählen möchte und hoffentlich bald erzählen werde.

>> Interview: Andra Vahldiek

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