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Auslandssemester an der Berkeley Universität in Kalifornien | Zurück

Berkeley ist eine der renommiertesten Universitäten der Welt. Sie gehört, wie Oxford, Harvard oder Stanford, zu den sechs „Superbrands“ und hat zahlreiche Nobelpreistragende, olympische Goldmedaillen und neue Elemente des Periodensystems hervorgebracht. Die Studiengebühren sind entsprechend enorm und Studienplätze rar sowie elitär verteilt. Wie fair kann Bildung dort sein? Und wie „gut“ ist so eine teure Bildung? Pauline ist 23 Jahre alt und macht dort gerade ihr Auslandssemester. Sie erzählt uns von ihren Erfahrungen ...

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Was studierst du?
Ich studiere Lehramt für Gymnasien im Master of Education mit den Fächern Englisch, Politik-, Wirtschaft und Sport. Und ich studiere den Master of Arts in Politikwissenschaft. Hier im Ausland, also in Berkeley, habe ich aber nur Veranstaltungen, die ich mir für den Master of Arts Politikwissenschaft anrechnen lassen kann.

Wie sah der Bewerbungsprozess aus?
Da die LUH keine Kooperation mit der UC Berkeley hat, musste ich mich komplett selbst bewerben. Das nennt man dann Free Mover. Also habe ich mich erstmal informiert über die verschiedenen Universitäten und Möglichkeiten, bis ich dann eine Website (IEC Online) gefunden habe, die einem kostenlose Beratung zu den Bewerbungsunterlagen anbietet. Eine ganz gute Möglichkeit, von der man Gebrauch machen kann. Das war eine willkommene Hilfe, aber es war trotzdem der gleiche Bewerbungsprozess. Dann habe ich meine Unterlagen an die UC Berkeley geschickt, ein Letter of Motivation, verschiedene Sachen von der Krankenkasse und ein Statement darüber, wie ich das Ganze finanziere, meinen Notenspiegel natürlich und meinen Lebenslauf. Nachdem ich dann meine Kurswahl getroffen und auch nochmal verändert hatte, habe ich meine Zusage bekommen.

Im Englischstudium an der LUH ist ein Auslandssemester Pflicht, richtig? Hättest du auch eins gemacht, wenn es keine Pflicht gewesen wäre?
Genau, da ich das Fach Englisch studiere, ist es für mich verpflichtend, einen Auslandsaufenthalt von mindestens drei Monaten zu machen. Das muss aber gar nicht unbedingt ein Studium sein, sondern das kann zum Beispiel auch eine Tätigkeit als Lehrkraft oder eine Betreuung in einem Feriencamp oder so etwas sein. Man muss nicht unbedingt studieren. Ich habe mich aber fürs Studieren entschieden. Trotzdem hätte ich wahrscheinlich kein Auslandssemester gemacht, wenn es keine Pflicht gewesen wäre, weil ich einfach nie diesen Drang hatte, ganz viel herumzukommen. Ich würde schon sagen, dass ich ganz gerne reise, aber ich hatte noch nie das Gefühl, ich müsste jetzt unbedingt in einem anderen Land leben. Ich habe auch nach dem Abi kein Work and Travel gemacht, sondern ich direkt angefangen zu studieren. Und ja, ich hätte es wahrscheinlich auch aus Faulheitsgründen nicht gemacht. Aber ich bin jetzt eigentlich auch ganz froh, dass ich so ein bisschen dazu gezwungen wurde, weil es sicher eine wichtige Erfahrung ist. Es ist super, mal aus seiner Komfortzone rauszukommen. Insgesamt eine gute Sache, auch in Bezug darauf, dass man ja als Englischlehrerin schon ein bisschen was über die Kultur lernen sollte. Und das geht eben am besten hautnah. Außerdem verbessern sich sicher auch die Sprache und die Sprachfertigkeit.

Welche Kosten kamen auf dich zu? Hast du dich für Stipendien beworben?
Da muss man jetzt ein bisschen schlucken … Die reinen Studiengebühren für jemanden, der ohne eine Kooperation zur UC Berkeley geht, betragen 14.000 Euro. Davon sind ungefähr 3.800 Euro Programmgebühren. Der Rest ergibt sich über Kursgebühren. Zwölf Units sind verpflichtend, damit man seinen Status als internationale Studierende behält. Und man kann eben noch Units darüber hinaus machen. Jede Unit kostet aber 750 Euro. Das war auch ein Grund, warum ich mich entschieden habe, nicht noch ganz viele Units darüber hinaus zu machen. Ich mache jetzt genau zwölf Units. Zusätzlich zu den 14.000 Euro kommen dann natürlich noch die Lebenshaltungskosten dazu. Beispielsweise mein geteiltes WG-Zimmer. Ich teile mir ein Zimmer mit einer anderen Person und das kostet mich trotzdem 1.000 Dollar im Monat. Dazu weitere Lebenshaltungskosten, die deutlich höher sind als in Hannover. Die Bay Area, so heißt die Gegend hier, auch San Francisco gehört dazu, ist eine der teuersten Gegenden in den USA. Lebensmittel sind deutlich teurer, auch wenn man abends mal ausgehen will oder was unternehmen will. Es ist einfach alles sehr, sehr teuer. Vielleicht als Beispiel: Ein Bier in einer Bar, so normal groß, kostet zwischen 8 und 10 Dollar. Keine Destille-Preise. Und was ich noch dazu sagen muss: mit meinem geteilten WG-Zimmer bin ich fast am günstigsten dabei, von allen Leuten, die ich hier kennengelernt habe. Diejenigen, die in einem eigenen Zimmer wohnen, zahlen alle um die 1.800 Dollar im Monat. Ich habe aber schon ein Stipendium im Inland bei der Studienstiftung des deutschen Volkes, die 10.000 Euro Studiengebühren übernommen haben. Die restlichen dreieinhalb musste ich selbst bezahlen. Dazu bekomme ich zu meinem Stipendium in Deutschland jeden Monat noch zusätzlich 350 Euro. Und meine Flüge wurden bezahlt. Anders hätte ich mir das auch nicht leisten können und auch nicht leisten wollen. Das sind ja alles in allem ungefähr 30.000 Euro, die so ein Auslandssemester hier kostet, mit allen Unternehmungen und allen Einkäufen und so weiter. Das ist einfach unvorstellbar viel Geld.

War Berkeley dein Wunschplatz oder wolltest du eigentlich lieber woanders hin?
Berkeley war mein Wunschplatz. Ich habe mich tatsächlich auch nur für Berkeley beworben und das hat zum Glück geklappt. Ich hatte noch überlegt, nach England zu gehen. Aber dadurch, dass ich über die Studienstiftung die Möglichkeit hatte, das zu finanzieren, wollte ich gerne irgendwas sehr, sehr cooles machen. Und ich hatte schon immer großes Interesse daran, das Studiensystem in den USA kennenzulernen. Und noch ein wichtiger Grund, warum ich hergekommen bin, ist, dass die UC Berkeley eine der besten Universitäten für Politikwissenschaft ist. Davon wollte ich gerne profitieren, von dieser sehr, sehr guten Lehre und Forschung.

Warst du vorher schon einmal in den USA? 
Ja, allerdings nicht über längere Zeit, sondern immer nur für Urlaubsreisen. Ich habe auch Familie hier, allerdings an der Ostküste in Boston. Die habe ich schon ein paar Mal besucht und ich war davor einmal in Kalifornien, allerdings eher im südlicheren Teil von Kalifornien und noch nie in San Francisco. Das war auch eine der Sachen, die ich ein bisschen unterschätzt habe: Die große, große Bandbreite an Klima, die Kalifornien hat. Weiter oben in Nordkalifornien liegt jetzt noch Schnee im März. Und wenn es runter geht nach Los Angeles, dann sind auf einmal 30 Grad. Und hier in Berkeley bin ich leider gerade in der Regenzeit gekommen. Da hat es erstmal die ersten Wochen sehr, sehr, sehr viel geregnet. Inzwischen wird es wieder wärmer und sonniger, was schön ist. Aber diese Idee von Sunny California, die trifft eben nicht auf jeden Ort dort zu.

Wie hast du dich vorbereitet auf das Auslandssemester?
Gar nicht so viel. Ich bin solche Sachen immer eher spontaner angegangen. Natürlich, dieser ganze Bewerbungsprozess hat Zeit gekostet. Da musste man halt immer wieder noch mal ein Dokument hinschicken oder noch mal eine E-Mail schreiben. Aber das ging eigentlich vom Zeitaufwand. Man hätte sicher auch noch viel mehr Zeit investieren können, als ich das getan habe. Ich musste auch noch zur Botschaft in Berlin, um mein Visum zu beantragen, Und einfach checken, dass ich alle Impfungen hatte. Ich musste mich noch mal gegen Grippe impfen und auch eine Auffrischung gegen Corona machen, weil das hier vorgeschrieben ist. Außerdem gab es noch den DAAD-Sprachtest. Ansonsten habe ich mich aber eigentlich nicht konkret vorbereitet. Ich habe auch relativ wenig Informationen eingeholt über meinen Studienplatz. Ich habe mich da eher ein bisschen überraschen lassen.

Wo hast du gewohnt und wie war die Wohnungssuche?
Ich fange mal mit der Wohnungssuche an. Es gab von der Universität ein paar vorgeschlagene Unterkünfte. In den Studierendenwohnheimen, die es von der Universität gibt, bekommt man jedoch als internationale Studierende keinen Platz. Es gibt ein Haus, das ist das International House, da sind relativ viele. Allerdings war das für mich von Anfang an nicht so unbedingt eine Option, weil das International House sehr groß ist. Ich weiß nicht die genauen Zahlen, aber da wohnen irgendwas zwischen 500 und 700 Leute, und das ist entsprechend ein sehr lebhafter Ort mit sehr vielen Aktionen. Da hat man dreimal am Tag Essen, was schon mitbezahlt ist in der Gebühr für die Unterkunft. Und das fand ich ein bisschen anstrengend, weil man so ja fast gezwungen ist, da immer zu essen und nicht mal spontan mit Freunden in San Francisco essen zu gehen. Ich habe mich bei der Wohnungssuche über verschiedene Portale informiert und auch im amerikanischen Ebay Kleinanzeigen gesucht, bei Zillow. Das war aber alles nicht so erfolgreich. Und schließlich habe ich in eine Facebook-Gruppe geschrieben, die hieß „Internationals in der Bay Area“, und daraufhin haben mir sehr viele Personen geschrieben. Am Ende hatte ich vier Unterkünfte zur Auswahl. Das war also relativ leicht. Aber ich habe wohl auch sehr stark davon profitiert, dass ich mich erst so spät darum gekümmert habe. Weil alle schon ein bisschen unruhig wurden, weil sie ja ihre sehr, sehr teuren WG-Zimmer vermieten mussten, bevor sie irgendwo hingehen. Darum zahle ich auch tatsächlich weniger als diejenige, die eigentlich mein Bett bewohnt. Sie übernimmt einen Teil, einfach weil sie es so dringend loswerden wollte. Ich wohne jetzt in einem privaten Apartment. Das in einem großen Gebäude ist. Ein komisches Konzept, was ich aus Deutschland so nicht kenne. Vielleicht so wie „The Cube“ in Hannover. Allein wohnen, aber es ist schon so ein bisschen mehr betreut.

Wie sieht diese Betreuung aus?
Wir haben unten in unserem Haus beispielsweise eine Lobby, da sitzt jemand jeden Tag von 9 bis 6 und ist für jede Frage erreichbar. Und bei uns wird der Müll abends einfach nur vor die Wohnungstür gestellt und abgeholt. Wir können außerdem bei jeglicher Art von Reparatur in einem Portal jemanden benachrichtigen und dann wird das am nächsten Tag gleich gemacht. Ich denke, das hat so ein bisschen mit der amerikanischen Kultur zu tun. Weil es an vielen Universitäten im ersten Jahr verpflichtend ist, im Studierendenwohnheim zu wohnen. Dass ist so die Idee, dass die Leute ein bisschen mehr betreut und bemuttert werden. Ich wohne jetzt in einer WG mit vier anderen Mädels, alle US-Amerikanerinnen, und ich teile mir auch mein Zimmer mit einer US-Amerikanerin. Das funktioniert, wir verstehen uns sehr gut. Das Einzige, was ich nicht verstehen kann, ist, dass die alle ganz oft ihre Schuhe im Bett anhaben und mit Schuhen durch die Wohnung laufen, obwohl überall Teppichboden liegt (lacht). Aber das ist, wie es ist. Und diese Nähe ist auch mega interessant, weil man sonst als internationale Studierende gar nicht so viel Kontakt zu US-Amerikanern und Amerikanerinnen hat. Im Grunde lebe ich hier in einer ganz normalen WG. Ich habe mir vorher noch nie ein Zimmer geteilt, das fand ich am Anfang so ein bisschen interessant. Aber ich habe dann schnell gemerkt, dass das überhaupt kein Problem ist. Man spricht sich einfach ab und wenn man ein ganz bisschen Rücksicht aufeinander nimmt und vielleicht nicht super laut ist, wenn die andere Person noch schläft oder schon schläft, dann ist das alles völlig unproblematisch.

Wie sieht die Kursauswahl so aus und welche Kurse hast du gewählt?
Ich habe hier drei Kurse gewählt. So drei bis vier Kurse sind ein normaler Workload für ein Semester. Es gibt Undergraduate und Graduate Level, was sich so ungefähr mit dem Bachelor-/ Mastersystem vergleichen lässt. Allerdings ist es so, dass im Graduate-Zweig sehr viele Leute bereits promovieren und jedenfalls in Politikwissenschaft sehr wenig Leute auf Graduate Level studieren, also quasi ganz normal ihr Graduate Degree machen. Ich habe drei Kurse gewählt, zwei auf Graduate Level, einen auf Undergraduate Level. Die Graduate-Level-Kurse heißen Modern Political Theory und Political Science Research Design. Und als Udergraduate Course habe ich Introduction to Public Policy gewählt, weil Public Policy einfach ein Bereich ist, den es an der LUH so nicht gibt und in den ich mal reingucken wollte. Und tatsächlich brauchte ich auch eine größere Vorlesung, weil das mit den beiden Graduate Kursen einfach so unglaublich viel Workload war, dass ich einen dritten Graduate Kurs leider nicht gepackt hätte.

Inwiefern unterscheiden sich die Uni oder die Kurse von Berkeley von denen in Hannover? 
Da gibt es ganz viel. Da ist erstmal, wie gesagt, der Workload. Der ist deutlich höher, gerade bei den Graduate-Kursen. In dem einen Kurs sind es 300 bis 400 Seiten Dissertation in der Woche, in dem anderen Kurs sind es um die 120 bis 150 Seiten in politischer Theorie. Natürlich ist klar, dass man das nicht alles so tiefgehend lesen kann, aber es wird schon sehr viel von einem erwartet. Und ich habe, seit ich hier bin, das Gefühl, dass ich konstant hinterherhänge und das nicht aufholen kann. Das ist das eine. Man muss sehr, sehr viel übers Semester machen. Außerdem habe ich in der Vorlesung Anwesenheitspflicht und man wird sehr eng betreut. Die Professor*innen haben alle sehr viele Office Hours und ermutigen einen, frühzeitig mit ihnen zu sprechen, wenn irgendwas ist. Das ist auf jeden Fall ein Unterschied. Dadurch, dass Studieren in den USA einfach so viel kostet und so viel bezahlt werden muss, so hohe Studiengebühren, steckt in der Uni deutlich mehr Geld als in deutschen Universitäten – und das merkt man. Unter anderem daran, dass Dozierende nicht so unglaublich überarbeitet sind. Dass sich darum offener sind und mehr in dich investieren. Und in der Vorlesung ist es so, dass man nicht eine Prüfungsleistung, eine Klausur oder Hausarbeit am Ende des Semesters schreibt. Meine Gesamtnote setzt sich aus acht verschiedenen Leistungen zusammen. Noch ein Unterschied: Im Research-Design-Kurs werden jede Woche verschiedene politikwissenschaftliche Forscher*innen eingeladen. Das ist eine Möglichkeit, die du in Deutschland so nicht hast. Aber die Leute, die am Institut für Political Science in Berkeley dozieren, haben einfach sehr viele Kontakte und sehr große Netzwerke. Das ist gerade für internationale Studierende sehr spannend und interessant das mitzuerleben. Was es für Möglichkeiten gibt, mit Forschungskontakten und Forschungsnetzwerken.

Wir war es für dich, komplett auf Englisch zu studieren?
Tatsächlich war das für mich gar keine so große Umstellung, weil ja das Englischstudium zum ganz großen Teil sowieso auf Englisch war. Und auch der Master in Politikwissenschaft hat zum Glück sehr viele Lehrveranstaltungen auf Englisch. Was ich sehr gut finde, weil das einfach ganz essenziell ist für die politikwissenschaftliche Forschung. Das war also nicht so eine große Umstellung.

Lässt sich dein Uni-Alltag in Kalifornien mit dem in Hannover vergleichen?
Mein Uni-Alltag in Kalifornien ist eigentlich sehr ähnlich zu meinem Uni-Alltag in Hannover. Ich bin allgemein ein Mensch, der sehr, sehr viel Zeit am Campus verbringt. Und genauso ist es eben auch hier in Kalifornien. Ich bin unter der Woche quasi jeden Tag, fast den ganzen Tag in der Bibliothek. Wenn ich nicht gerade bei einem Seminar oder bei einer Vorlesung bin. Einfach um mit dem Workload irgendwie klarzukommen. Zwischendurch gehe ich auch in die Mensa, also in die Dining Hall mit Freund*innen, die ich im Auslandssemester kennengelernt habe. Oder man sitzt mal draußen, wenn gutes Wetter ist und trinkt einen Kaffee. Und abends gehe ich halt oft noch in das universitätseigene Fitnessstudio, das ist kostenlos für alle Studierenden. Dadurch ist es leider oft ein bisschen voll.

Wie ist die Universität aufgebaut? 
Es gibt in Berkeley sehr viele Lernorte und Bibliotheken. Ich glaube, das liegt daran, dass man so viel lernen muss. In Berkeley spielt sich alles, anders als in der LUH, auf einem großen Campus ab, es gibt also nicht verschiedene Standorte. Es gibt ganz viele Bibliotheken, es gibt eine Art Lernraum, der heißt auch Bibliothek, aber da stehen keine Bücher, der ist sehr groß und modern. Es macht echt Spaß, sich dort aufzuhalten. Die Bibliotheken sind aber ansonsten ganz normale Bibliotheken. Und die Mensa funktioniert ein bisschen nach einem anderen Prinzip. Man zahlt beim Reingehen 10 Dollar Eintritt und hat dann „All you can eat“. Da sind auch Getränke und Nachtisch inbegriffen und man kann wirklich so viel essen, wie man will. Man darf allerdings keine Brotboxen mit rausnehmen, auch wenn ich das manchmal ignoriere. Es gibt ganz viel Auswahl, immer einen Grill mit Burgern, Chicken Wings oder Hotdogs mit Pommes. Und dann gibt es eine sehr große Salatbar. Es gibt immer Pasta, oft Pizza und dann eben so Sachen wie Reis mit Tofu. Es gibt eine asiatische Ecke. Klingt alles erstmal sehr cool. Fand ich am Anfang auch. Leider wechselt das Angebot aber nicht so oft. Es gibt schon sehr, sehr, sehr häufig das gleiche. Das ist ein bisschen nervig und nicht so toll. Man hat einfach weniger Hunger, zahlt aber trotzdem 10 Dollar. Und man hat das Gefühl, dass man sich eigentlich ganz, ganz dolle satt essen müsste, damit es sich lohnt. Darum finde ich dieses Prinzip, zu zahlen, was man isst, doch irgendwie ein bisschen cooler. Und vielleicht noch zur Dining Hall. Ich war extrem überrascht, wie wenig vegetarische und vegane Angebote es in den USA insgesamt gibt. Die meisten großen Fast-Food-Ketten wie Wendy's, Arbys oder Chick-fil-A und so weiter haben alle keine bis sehr wenig vegetarische Alternativen. Eigentlich nur Pommes. Das hat mich schon sehr gewundert. In der Dining Hall ist es okay. Die geben sich echt Mühe, auch ein vegetarisches Angebot zu haben und ein veganes, aber es ist trotzdem nicht so wie in Deutschland.

Auslandssemester 2

Welche Ausflüge hast du bislang unternommen, wenn der Workload es mal zugelassen hat?
Ich bin hier mit einigen Deutschen unterwegs, mit denen mache ich auch am Wochenende öfter mal Ausflüge. San Francisco ist von Berkeley so eine halbe Stunde mit der Bahn. Da sind wir fast jedes Wochenende und gehen zu verschiedenen Sehenswürdigkeiten, ins Museum of Modern Art oder in Parks oder in Clubs. Ansonsten sind wir mal für ein Wochenende nach Los Angeles gefahren und waren in einem Airbnb mit einer größeren Gruppe. Und gleich geht’s nach San José, da bin ich über das Wochenende und gehe auf ein Konzert. Wir haben auch schon einige Tagesausflüge unternommen zu verschiedenen Stränden und zu Städten in der Gegend. Und jetzt war gerade mein Freund für zwei Wochen da und wir sind in den Yosemite Nationalpark gefahren. Leider ist hier aber ohne Mietwagen alles sehr schlecht zu erreichen. Das öffentliche Verkehrsnetz ist relativ schlecht ausgebaut. Darum ist man eigentlich immer auf einen Mietwagen angewiesen und den zu mieten ist relativ teuer, vor allem, wenn man noch nicht 25 Jahre alt ist. Das ist dann noch teurer.

Was für Menschen hast du bereits kennengelernt?
Meine hauptsächliche Freundesgruppe ist komplett deutsch. Das hat sich damals in der Orientierungswoche so ergeben. Lag wohl vor allem daran, dass man die gleichen Probleme hatte. Wie macht man das mit dem Handyvertrag? Wie macht man das mit der Bank und den Überweisungen? Darüber hat man schnell zueinander gefunden. Ich hatte auch mit ein paar Deutschen geschrieben in der ersten Woche und man hat sich dann getroffen. Ansonsten mache ich viel mit meinen Mitbewohnerinnen. Und wir unterhalte uns viel, immer wenn ich zu Hause bin. Und natürlich habe ich in meinen Seminaren ein paar Amerikaner*innen kennengelernt. Die sind alle unglaublich krass in ihren Fächern. Von den Deutschen sind viele in BWL oder Volkswirtschaft oder im Finance-Bereich unterwegs.

Du warst auch zur Zeit des Superbowls da. Wie hast du die Football-Kultur wahrgenommen?
Ich war in San Francisco während die San Francisco Fourty Niners im Super Bowl gespielt haben und für uns alle war klar: Wir müssen unbedingt in San Francisco den Super Bowl gucken. Also sind wir nach San Francisco gefahren, haben uns vier Stunden in die Schlange zum Public Viewing angestellt, waren dann in so einer dreistöckigen Sportsbar und haben den Super Bowl geschaut. Natürlich waren die Menschen alle total aufgeregt und die Stimmung in der Stadt war super aufgeladen. Alle waren irgendwie sehr ekstatisch. Das hat man auch in der Sportsbar gemerkt. Das war natürlich typisch: Man bestellt einen Pitcher Bier und Chicken Wings und alles andere an Fast Food und schaut dann auf ganz, ganz vielen Leinwänden dieses Footballspiel. Ich fand es erst cool diese Erfahrung zu machen. Aber was mich extrem gestört hat und was ich irgendwann auch super unangenehm fand, ist das Ausbuhen der Gegner. Und es wurde auch gebuht, als man Taylor Swift gesehen hat. So laut haben sie nicht mal ihr eigenes Team angefeuert. Das hat für mich gar nichts mehr mit Teamgeist zu tun. Das ist doch dann einfach nur noch misogyn, oder? Ab dem Moment habe ich mich jedenfalls sehr unwohl gefühlt und San Francisco hat dann ja am Ende auch den Super Bowl verloren. Danach war komplett die Luft raus in der Stadt. Das war meine Erfahrung mit der Football-Kultur. Muss man vielleicht mal gemacht haben. Wenn ich aber so darüber nachdenke, hätte ich auch sehr gut drauf verzichten können.

Wie hast du generell die amerikanische oder kalifornische „Kultur“ wahrgenommen?
Vielleicht teile ich das mal auf in Stereotypen und Klischees, die sich bewahrheitet haben und die sich nicht bewahrheitet haben. Wahr ist, dass man überall mit dem Auto hinfahren muss. Zum Laufen sind sie Distanzen meistens zu weit und die Öffis sind sehr schlecht. Das heißt, man fährt für die kleinsten Strecken Auto. Dann natürlich Starbucks. Auch meine Mitbewohnerinnen holen sich dort fast jeden Morgen ein Starbucks-Getränk. Die Fast Food Läden, die man so kennt, also auch In-N-Out Burger, sind ebenfalls sehr frequentiert Das ist so die kalifornische Kultur, die ich wahrgenommen habe. Und zur Kultur gehören die Sportveranstaltungen. Der Collegesport ist unglaublich wichtig. Bei den Basketballspielen von der College-Mannschaft zahlt man Eintritt und da ist zum Teil eine deutlich bessere Stimmung als bei Spielen der 1. Bundesliga in Deutschland. Das ist ein sehr großes Ding, aber ich bin leider nicht während der Footballsaison hier. Baseball ist auch ein kulturelles Ereignis. Auch Waterpolo. Und was sich nicht bewahrheitet hat, was aber am Standort liegt: Berkeley ist sehr liberal und damit meine ich ökonomisch liberal, aber auch progressiv. Nicht links. Aber fast alle Dozierenden in Vorlesungen und in Seminaren sich offen kritisch gegenüber Trump und gegenüber der Republikanischen Partei. Berkeley ist sehr, sehr demokratisch geprägt. Und damit werden auch soziale Probleme und soziale Themen eher gesehen. Ich habe hier auch viel erlebt, dass Dozierende am Anfang des Semesters nach den Pronomen fragen, was ich in Deutschland als noch nicht so etabliert erlebt habe. Zumindest nicht in meinem Studiengang. Themen wie Mental Health, gerade im Studium, werden sehr stark berücksichtigt. Da fragen eigentlich alle Dozierende am Anfang des Semesters einmal in so einer anonymen Umfrage, ob es irgendwas gibt, was sie beachten sollen, was sich vielleicht auf den Studienerfolg auswirken könnte. Und ja, diese amerikanischen Stereotype, also freiheitsliebend, das Tragen von Waffen, solche Sachen habe ich in Berkeley auch nicht so erlebt. Aber Berkeley ist auch eine sehr eigene Community.

Wie sieht die Party-Szene oder -Kultur aus?
Viele Leute, die hier studieren, sind noch nicht 21 Jahre alt, zum Beispiel auch alle meine Mitbewohnerinnen. Das heißt, sie können eigentlich keinen Alkohol kaufen und kommen auch nicht in die Bars oder die Clubs rein. Die haben alle Fake ID’s, aber das klappt natürlich auch nicht immer. In den Standardbars in Berkeley klappt das relativ selten. In Berkeley gibt es auch keinen Club. Die ganze Party-Kultur spielt sich hauptsächlich über Studierendenverbindungspartys ab. Da gibt es jedes Wochenende und auch teilweise unter der Woche mehre Partys, teilweise mit Mottos, teilweise nicht. Die Ticktes dafür bekommt man jedoch nicht einfach so, die werden von den Fraternities und Sororities, also den männlichen und weiblichen Studierendenverbindungen verteilt. Ergo, als internationale Studierende kommt man da eher nicht ran. Ich war trotzdem auf ein oder zwei dieser Partys. Und mich hat das sehr an Abifahrt oder ähnliches erinnert: Sehr volle Räume, Mainstream-Musik und das ganze andere. Da merkt man schon, dass es vielen vor allem um sexuelle Erfahrungen geht. Pflicht ist jedoch tatsächlich, dass jede Person, die diese Party betritt, einen Consent-Talk bekommt. Da werden die drei Säulen des Consents erklärt. Und das ist tatsächlich verpflichtend in Berkeley. Die Frage ist natürlich, inwiefern das unter Alkoholeinfluss beachtet und im Kopf behalten wird. Awareness-Teams oder so habe ich bislang noch nicht erlebt.

Wie sicher hast du dich gefühlt?
Anfangs dachte ich, ich würde kaum oder auch gar nicht feiern gehen, weil ich mir in Bezug auf die Sicherheit doch ein bisschen Sorgen gemacht habe. Hier kommt es leider tatsächlich häufiger zu Vergewaltigungen und K.o.-Tropfen im Getränk, aber meine Freundesgruppe hat den Pakt geschlossen, immer zusammen nach Hause zu gehen und auch auf den Partys haben wir immer ein Auge aufeinander und passen aufeinander auf. Allgemein fühle ich mich sehr unsicher. Ich gehe nur sehr ungern abends allein nach Hause und mache das auch fast nie. Hier gibt’s schon mal Schüsse oder bewaffnete Überfälle. Und auch im Zusammenhang mit ständigen Catcalls fühle ich mich allein nicht unbedingt wohl. Die Uni hat aber Angebote, die einen abholen und nach Hause bringen. Aber ansonsten bin ich einfach lieber mit Freunden unterwegs oder rufe mir ein Uber.

Wie sieht es mit dem Klischee der Studierendenverbindungen aus?
An dieser vergleichsweise progressiven und liberalen Uni spielen Studierendenverbindungen eine große Rolle. Man muss es aber ein bisschen ins Verhältnis setzen. An der University of Alabama sind zum Beispiel ungefähr 40% der Studierenden im Greek Life, hier in Berkeley sind es nur so ungefähr 10%. Trotzdem spielt es eben für das Sozialleben eine ganz große Rolle. Die Verbindungen sind geschlechtergetrennt, es gibt Fraternities und Sororities. Normalerweise wohnt man im ersten Jahr, in dem man in der Verbindung ist, noch nicht im Verbindungshaus. So kommt es, dass zum Beispiel meine Mitbewohnerin auch in einer Studentinnenverbindung ist. Für ihr Sozialleben spielt das eine sehr große Rolle. Sie ist ganz oft auf Events von ihrer Sorority und jedes Wochenende auf einer Privatparty. Sie sieht es, glaube ich, als Netzwerk mit anderen Frauen. Ich glaube, man kann Verbindungen in den USA nicht wirklich mit Burschenschaften in Deutschland vergleichen – vielleicht nur in Bezug auf den Alkoholismus.

Berkeley ist eine der renommiertesten Universitäten der Welt. Wie hast du das für dich wahrgenommen? Merkt man einen Unterschied, im Gegensatz zur Leibniz Uni?
Berkeley ist die beste öffentlich Universität in den Vereinigten Staaten. Und eben auch eine besonders gute Uni, um Politikwissenschaft zu studieren. Die Unterschiede, die man im Gegensatz zur Leibniz Uni feststellt, sind erstens, dass man merkt, wie viel Geld hier in diese Universität hineinfließt. Studierende können mehr Forschen, Dozierende sind weniger überarbeitet und haben weniger Druck. Auch in Hannover habe ich tolle Dozierende, die sich sehr bemühen, aber in Berkeley funktioniert das alles durch die hohen Mengen an Geld einfach ganz anders. Und zweitens ist der Workload auf jeden Fall höher, hier haben Bibliotheken 24 Stunden am Stück offen. Alle sind sehr fleißig und ehrgeizig.

Thema Romantisierung von Auslandssemestern. Wie blickst du auf das Thema?
Ein Auslandssemester in den USA ist auf jeden Fall nicht Non-Stop Party, viel Trinken und viel in Bars sein, das ist hier einfach nicht so eine große Sache. Erstens gibt es in Berkeley dafür nicht so die Möglichkeiten und zweitens sind die Leute, die hierherkommen, schon ein bisschen älter, weswegen sie vielleicht ein bisschen weniger darauf aus sind, den ganzen Tag zu feiern. Es ist schon anstrengend. Der Druck ist groß, auch weil das alles so viel Geld kostet. Es ist schon ein Privileg. Und darum will man alles mitnehmen, man will Leistung erbringen, hat einen hohen akademischen Anspruch. Und gleichzeitig will man noch die verschiedenen Kulturen kennenlernen, neue Leute treffen, sich international vernetzen, die Landschaft kennenlernen. Das alles gleichzeitig ist sehr viel und man zwischendurch den eigenen Anspruch ein bisschen herunterschrauben. Man darf auch mal zu Hause sitzen oder nur Uni machen oder nur unterwegs sein, dass ist alles total okay. Auslandssemester sind etwas total Schönes, aber ich würde trotzdem nicht sagen, dass ich die beste Zeit meines Lebens habe.

>> Interview: Andra Vahldiek

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