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Notiz an mich: Die Beichte ist eine extrem gute Sache! | Zurück

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Ich bin jetzt extra wieder in die katholische Kirche eingetreten. Wobei „wieder“ gar nicht stimmt. Ich war früher mal evangelisch, dann bin ich ausgetreten und war eine Weile nix, dann war ich ein bisschen spirituell, aber nur wegen Lisa, sonst hätte die nicht – aber das gehört hier nicht hin. Dann habe ich eine Zeit lang Yoga praktiziert, aber eigentlich auch nur wegen Julia und das gehört hier auch nicht hin. Egal, ich war im Grunde die ganze Zeit nix. Und das hat sich eigentlich auch okay angefühlt. Wenn man nix ist, dann darf man sich nämlich durchaus berechtigt für ein bisschen klüger halten. Ich meine, die ganze Geschichte ist ja echt krasser Schwachsinn, von wegen unbefleckt, und Wunder und Auferstehung. Und überhaupt, dass da jemand irgendwo sitzt und uns beim Onanieren zuguckt und sich darüber ärgert, das kann gar nicht wahr sein. Würde es irgendeinen Gott geben, wäre der ein sadistischer Menschenfeind. Glaube ich nicht. Dass da irgendjemand für uns lenkt und denkt, das ist doch absurd. Religionen sind Humbug.

Habe ich jedenfalls eine ganze Weile gedacht. Aber jetzt bin ich bekehrt. Und, wie gesagt, seit einigen Monaten hochzufriedenes Mitglied der katholischen Kirche. Diese Hinwendung zum Glauben hat natürlich Gründe, die ich hier nun gerne teilen möchte. Denn ein guter Christ ist ja auch der Mission verpflichtet. Also, mein Leben war komplizierter geworden. Ich bin in diese WG gezogen, eigentlich wegen Anna, aber das tut hier nichts zur Sache. Jedenfalls hatte ich nach meinem Einzug aus Gründen eine leicht depressive Phase und ich habe mich ein bisschen verkrochen und mich gehen lassen, auch bei der Körperpflege, ich habe eine Weile die Haarpflege stark vernachlässigt (und nicht nur das, aber der Rest spielt hier keine Rolle). So habe ich also eines Tages ziemlich zerzaust am Küchentisch in meiner WG gesessen und vor mich hingestarrt, als hinter mir eine Stimme sehr schneidend folgende Frage stellte: „Sag mal, sind das da Dreads oder was soll das werden?“ Ich war natürlich ein bisschen perplex, denn es waren ja nur ungewaschene und vom vielen Liegen verfilzte Haare, einfach ein ziemlich unappetitliches Knäuel, ich wusste gar nicht, was ich auf diese Frage antworten sollte. Und weil ich nicht antwortete, kam ich kurz darauf in den Genuss eine Vortrags über kulturelle Aneignung im Allgemeinen und Besonderen.

Man muss dazu wissen, dass meine WG recht speziell ist. Meine Mitbewohner*innen sind sehr ernst und entschlossen, sie verstehen bei gewissen Fragen absolut keinen Spaß. Die Ernährung ist ein heikles Thema, Gleichberechtigung ist ein heikles Thema. Frieden ist in letzter Zeit auch wieder ein heikles Thema und ich hätte mal fast was auf die Fresse bekommen, als ich leise angedeutet habe, dass ich Waffenlieferungen in die Ukraine eventuell gar nicht so schlecht finde. Ein Freund von mir hat mal gefragt, ob meine Mitbewohner*innen die Jalousien schließen würden, wenn sie asiatisch kochen, weil das ja im Grunde auch eine Form der kulturellen Aneignung sei. Aber das scheint kein Problem zu sein. Sie kochen viel asiatisch. Hauptsache vegan. Es gibt so ein paar Gesetze in meiner WG, sie sind nirgends aufgeschrieben, aber wenn du sie brichst, hast du echte Schwierigkeiten. Neulich haben sie mich erwischt als ich in der Mediathek Dieter Nuhr (auch ein heikles Thema) angeschaut habe. Der Anschluss von meinem Kopfhörer war ein Stück herausgerutscht. Es gab dann sofort ein Plenum in der Küche, und es war nicht nur Dieter Nuhr allein, ich hatte stellenweise auch gelacht. Sie hatten das auf dem Flur mitgeschnitten. Und „mitgeschnitten“ ist hier wörtlich gemeint, Anna, von der ich mittlerweile glaube, dass sie mich aus der WG haben will, hat mit ihrem Handy eine Beweis-Aufnahme gemacht. Ich habe mich gerade so herauswinden können mit einem Referat für die Uni über die Mainstream-Medien und dass ich sehr bitter hätte lachen müssen über die Erbärmlichkeit von diesem Nuhr. War eine knappe Geschichte. Sie haben sich kopfschüttelnd damit zufriedengegeben- Seit dieser Sache stand ich allerdings sehr unter Beobachtung und habe immer mehrmals den korrekten Anschluss des Kopfhörers kontrolliert, wenn ich mir irgendwas angesehen haben. Wenn die jemals herausfinden, was ich mir sonst noch ansehe, dann Gnade mir Gott, habe ich nach dem Plenum gedacht.

Und mit diesem Gedanken, mit der Gnade Gottes, hatte ich dann sozusagen die Erleuchtung. Ich hatte die ganze Zeit ständig ein schlechtes Gewissen. Gesoffen, Döner gegessen, dann nach Hause und vorher tonnenweise Kaugummi eingeschmissen. Veganer*innen haben ja eine sehr feine Nase. Oder onaniert, Anna im Kopf und von Gleichberechtigung keine Spur … Okay, in den Kopf gucken kann sie mir (wahrscheinlich) nicht, aber das schlechte Gewissen nagt dann ja doch, wenn man mit ihr kurz darauf ein veganes Müsli am Küchentisch löffelt. Da ist einfach dieser forschende Blick. Und wenn du was auf dem Kerbholz hast, dann steht es dir wahrscheinlich ins Gesicht geschrieben. Aber jetzt ist das alles vorbei. Jetzt muss sich der Typ im Beichtstuhl meinen Kram anhören und ich muss im Gegenzug Reue zeigen und ein bisschen absurdes Zeug zitieren, das ist schon alles. Kein schlechtes Gewissen mehr, weil alles gesagt ist. Jetzt können sie mir zu Hause forschend ins Gesicht starren, so lange sie wollen. Die katholische Kirche ist echt der Hammer, du kannst dir wirklich den perversesten Scheiß leisten und alles ist nur halb so schlimm. Da glaube ich doch gerne an Gott. Ich verstehe absolut nicht, warum so viele austreten.

>> Text: VA
>> Foto: Hands off my tags! Michael Gaida / Pixabay.com

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