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Mein Hobby: Ballett | Zurück




Saskia, eine 26-jährige Masterstudentin, tanzt seit ungefähr 7 Jahren leidenschaftlich Ballett und macht sich dafür stark, auch „spät“ mit Ballett anfangen zu können. Ihr Hobby ist für sie zu einem zentralen Teil ihrer Identität und ihres Lebens geworden. In diesem Interview spricht sie darüber, wie der Tanz ihr Leben beeinflusst, von dem Spagat zwischen Studium und Training, und warum Ballett für sie mehr als nur ein Sport ist. Ein Einblick in eine klischeebehaftete Welt zwischen Leistungsdruck, Spitzenschuhen und einer ganz besonderen Ästhetik.



Hallo Saskia, stell dich gerne selbst vor.

Ich bin gerade im letzten Mastersemester und möchte dann Lehrerin werden für das Gymnasiallehramt mit der Fächerkombi Sport und Philosophie. Ich bin 26 Jahre alt und komme ursprünglich aus Ostfriesland. Und ich tanze Ballett.


Wie bist du zum Ballett gekommen?

Ich habe in Ostfriesland, also in Aurich, ein oder zwei Jahre lang getanzt. Eigentlich war das die Idee meiner besten Freundin. Sie hat gefragt, ob wir mal zum Balletttraining gehen wollen, weil sie früher als Kind getanzt hat. Dann sind wir zusammen hingegangen und tatsächlich hat sie nur die erste Stunde mitgemacht, aber ich bin irgendwie hängengeblieben, weil es mir direkt von der ersten Stunde an sehr viel Spaß gemacht hat. Und jetzt tanze ich insgesamt seit sechs oder sieben Jahre, wobei ich dazu sagen muss, dass während der Corona- Zeit das Training nur online stattfand.


Wo und wie oft trainierst du Ballett?

Ich habe angefangen hier in Hannover in der Ballettschule von Ilonka Theiss. Tatsächlich war das die erste Ballettschule, bei der ich einfach angerufen habe, gefragt habe, wann Termine sind und ob ich mal vorbeikommen kann. Und ich bin direkt ein paar Tage später zum ersten Training. Theoretisch wird dort viermal die Woche Training angeboten, ich schaffe es aber gerade im Sommer meistens nur zweimal die Woche zum Training. Aber im Winter bin ich schon dreimal, manchmal auch viermal die Woche da. 


Kann man Ballett überhaupt als „Hobby“ bezeichnen, wenn so viel Zeit und Kraft für viele reinfließt?

Es nimmt natürlich viel Zeit ein, aber das mache ich ja alles freiwillig. Ich wollte nie professionell Ballett tanzen, um damit Geld zu verdienen, das beruflich zu machen. Ich mache das nur für mich selbst und es ist mittlerweile ein großer Teil von mir geworden. Ich glaube, es ist mehr als ein Hobby, denn irgendwo fließt es auch in das Selbstbild und die Identität mit ein. Und dazu kommt noch, dass man zu den ganzen Ballett-Menschen über die Jahre hinweg natürlich eine starke Bindung aufgebaut hat. Ich würde schon sagen, dass das auf jeden Fall einen großen Teil für mich einnimmt. Nicht unter dem Aspekt, dass es für mich leistungsorientiert ist. Aber emotional, würde ich sagen, ist es mehr als ein Hobby.


Hast du schon Mal an Auftritten oder Wettbewerben teilgenommen?

Wir hatten in der alten Tanzschule mal einen Auftritt, den habe ich mitgemacht. Das hat auch sehr viel Spaß gemacht. Man muss dazu sagen: die Ballettschule, an der ich vorher war, das war englisches Ballett. Die Schule jetzt, das ist russisches Ballett. Und da gibt es doch Unterschiede. Beim englischen Ballett ist es so, dass du Grad-Prüfungen ablegst und damit konntest du immer einen höheren Grad erreichen. Das habe ich in der alten Ballettschule gemacht. Und kurz bevor ich bei der neuen Ballettschule angefangen habe, war ein großer Auftritt. Da wurde „Schwanensee“ aufgeführt. So eine Aufführung – gerade für meine 78-jährige Trainerin – nimmt dann schon sehr viel Raum ein, das ist immer sehr viel Aufwand, auch mit Bühnenzeit und Probenzeit. Darum gibt es Auftritte nicht so häufig.


Was war bisher dein persönlich größter Erfolg oder deine größte Herausforderung?

An der Tanzschule, an der ich jetzt tanze, gibt es verschiedene Gruppen mit verschiedenen Trainerinnen, die unterschiedliche Leistungsstandards haben. Die Gruppe, in der ich angefangen habe, war eher für Personen wie mich, die nur einmal oder zweimal die Woche kommen und das jetzt nicht mit so einem sportlichen Ehrgeiz sehen. Oder die gerade erst angefangen haben. Im Nebenraum haben immer die Profis trainiert, die schon 20 Jahre tanzen, mal an einer Ballettschule waren, selbst mal Tänzer*in waren oder noch Ambitionen haben, in dem Bereich etwas zu machen. Und das hat mich dann motiviert, mich mehr anzustrengen, um auch in diese Gruppe zu kommen. Mein größter Erfolg und gleichzeitig meine größte Herausforderung war, dass ich nach ein oder zwei Jahren von der Tanzlehrerin der Profis gefragt wurde, ob ich in ihre Gruppe kommen möchte. Und das war sehr, sehr cool für mich, dass ich das geschafft habe, das ich tatsächlich dieses Ziel erreicht habe und mich jetzt auch als Teil der Gruppe fühle.


Ist es schwierig, dein Studium und dein Balletttraining unter einen Hut zu bringen?

Zeitlich war das kein Problem, weil ich immer erst um 18 Uhr Training habe, meine Seminare immer vormittags waren und ich die auch meistens eher auf frühere Zeiten gelegt habe. Aber ich weiß noch, dass es aufgrund meines Sportstudiums in manchen Semestern tatsächlich körperlich anstrengend war. Es gab ein Sommersemester, da hatte ich immer montags Handball, dienstags zwei praktische Seminare, nachmittags einen Volleyball-Kurs auf erhöhtem Niveau und abends dann noch Training. Und am nächsten Tag wieder Training. Das war wirklich eine Zeit, die sehr, sehr anstrengend war und während der ich zwischendurch auch immer aufgrund des Laufens, des Balletttrainings und des Spitzentrainings gereizte Schienbeine hatte. Das war schon sehr anstrengend und einfach generell eine sehr hohe Belastung. Also gar nicht so sehr zeitlich oder motivationstechnisch; aber zweimal am Tag in der Intensität Sport zu machen war dann manchmal für den Körper schon eine Herausforderung.


Hast du jemals überlegt, eine professionelle Karriere im Ballett anzustreben?

Ich hatte tatsächlich nie vor, eine professionelle Tänzerin zu sein. Vor allem, weil mir zu viele andere Dinge wichtiger wären, als die Zeit in eine Profikarriere zu investieren. Ich glaube, ich hätte trotzdem Spaß daran gehabt, auch an eine Ballettschule zu gehen, aber ich muss auch sagen, dass das nie eine Option war, da ich erst mit 17 oder 18 Jahren angefangen habe, Ballett zu tanzen. Wenn du das professionell machen willst, musst du auf jeden Fall eher anfangen, wie eigentlich in jedem anderen Sport auch. Genau darum habe ich mir nie überlegt, das professionell zu machen, sondern eher aus einer intrinsischen Motivation heraus, einfach den Sport für mich oder den als Ausgleich zu haben. Weil mir das Tanzen sehr viel Spaß macht.


Über die Ballett-Welt gibt es viele Klischees. Wie erlebst du diese Welt. 

Mich haben Leistungsdruck, Strenge, Perfektion oder ein idealisiertes Körperbild nicht in der Härte getroffen, weil ich erst so spät eingestiegen bin, also schon eine gewisse Reife hatte, als ich mit Ballett angefangen habe. Das ist bei denen, die sehr früh mit dem Tanzen anfangen, vielleicht ein bisschen anders. Beziehungsweise geht es dann auch immer um die Professionalisierung. Wenn es in den Ballettschulen also quasi um eine Berufsausbildung geht. Ganz am Ende gibt es immer nur eine Solotänzerin in einem Ensemble. Aber da das für mich nie ein Ziel war, denke ich, bin ich nicht so betroffen von diesen Aspekten. Trotzdem habe ich das natürlich mitbekommen und sehe das auch nach wie vor, beispielsweise bei meiner Trainerin – sie war Solotänzerin, auch in Hannover. Und sie transportiert auf jeden Fall ein paar der Klischees. Dass man mal über Grenzen geht. Sie ist auch sehr streng, beziehungswese fordert sie sehr viel Disziplin und Respekt ein. Was ich aber auch gut finde, denn sie investiert sehr viel Arbeit in uns. Entsprechend verstehe ich, dass sie fordert, dass man mit einer gewissen Disziplin zum Training kommt, obwohl ich gar keinen Leistungsgedanken mitbringe. Vielleicht bin ich auch einfach vom Charakter her so, dass ich das ein bisschen brauche, um mich dem Sport gegenüber verpflichtet zu fühlen.


Wie nimmst du das von der Ballett-Welt transportierte Körperbild wahr?

Es ist schon so, dass der Sport für einen selbst machbarer ist, wenn man dünner ist. Und wenn man sich die ganzen professionellen Tänzer*innen anschaut, die sind ja alle wirklich sehr, sehr dünn. Weil du dann eine ganz andere Drehachse hast und zum Beispiel auch Hebungen leichter fallen. Ich würde also sagen, dass so dünn zu sein in diesem Sport Vorteile hat. Und Ballett deshalb auch das Streben nach solchen idealen Körpermaßen mit sich bringt. Ich habe das bei mir aber nicht so wahrgenommen, weil ich es eben nicht professionell mache und nicht die Ambition verspüre, Solotänzerin zu werden. Natürlich, die Kleidung betont das auch noch einmal. Oder dass man sich die ganze Trainingszeit immer im Spiegel sieht. Der ganze Trainingsraum ist ja verspiegelt. Das trägt, glaube ich, viel dazu bei. Natürlich ist es ein Sport, der hauptsächlich auf Ästhetik ausgelegt ist. Da steht dann auch der „schöne“ Körper natürlich im Mittelpunkt, anders als zum Beispiel bei Mannschaftssportarten. Ich denke, dass Ballett schon ein etwas eitler Sport sein kann. Es geht um Ästhetik. Wie damit dann jeweils umgegangen wird, ist aber natürlich individuell.


Wie schmerzhaft ist Ballett?

Ich denke, Ballett ist im Gegensatz zu anderen Sportarten gar nicht schmerzhaft. Natürlich leiden manchmal die Füße. Und in einigen Teilen der Welt wird das Training sicher schmerzhaft übertrieben. Aber ich glaube, dass andere Bereiche, zum Beispiel Turnen oder Leichtathletik, deutlich schmerzhafter sind. Ich würde sogar sagen, im Verhältnis ist Ballett schon ein Sport, der nicht so anfällig für Verletzungen ist. Dadurch, dass man permanent die Muskulatur im Rücken, in der Hüfte und in den Beinen stärkt, hat man nicht so viele Haltungsschäden oder einseitige Belastungen. Das sieht man ja häufig bei Teamsportarten. Tänzerinnen über 40 Jahre tanzen im professionellen Bereich häufig noch ein ganzes Solostück. Das ist in anderen Sportarten eher seltener der Fall. Und es ist ja auch immer das Maß, was man selbst zulässt. Es liegt ja immer an mir zu sagen: „Nein, das kann ich jetzt nicht machen, das gibt mein Körper nicht her.“



Gibt es irgendeinen Stil, den du bevorzugst? Und wie würdest du deinen persönlichen Tanzstil beschreiben?

Es gibt das englische und das russische Ballett, die ich so als Hauptrichtungen wahrnehme. Und ich muss sagen, dass ich auf jeden Fall das Waganowa, also das russische Ballett, schöner finde, weil es mehr Ausdruck hat. Das englische Ballett habe ich eher als technischer wahrgenommen. Wenn ich mir Ballettstücke anschaue, finde ich es wichtiger, dass ein Ausdruck oder eine Emotion übermittelt wird, statt einer perfekten Technik, die es ja eigentlich sowieso nicht gibt. Bei meinem persönlichen Tanzstil lege ich meinen Fokus ebenfalls auf den Ausdruck und ästhetisch flüssige Bewegung, weil mir natürlich die perfekte Technik nicht gegeben ist. Wenn du erst spät anfängst, ist es echt schwer, das aufzuholen. Aber der tänzerische Aspekt ist auch eher das, was mich so besonders fasziniert an dem Sport.


Gibt es Menschen im Ballett die dich besonders beeindrucken oder inspirieren?

Besonders beeindruckt mich die argentinische Balletttänzerin Marianela Nuñez. Sie ist 42 Jahre alt und tanzt trotzdem noch die Hauptrolle in Cinderella im Royal Opera House in London. Ich habe das Stück nur im Astor Kino in Hannover gesehen, aber ich fand es sehr beeindruckend. Zum einen natürlich den Aspekt, dass sie schon relativ alt ist und trotzdem noch über zwei oder drei Stunden hinweg diesen Sport machen kann. Und zum anderen hat mir bei ihr extrem der Ausdruck gefallen, der einen total in den Bann zieht. Was mich immer sehr inspiriert und für mich auch erst schönes Ballett ausmacht. 


Wie beeinflusst Ballett dein Leben?

Ich würde sagen, insgesamt beeinflusst Ballett mein Leben nur positiv. Ich kann wirklich sehr viel Positives daraus für mich mitnehmen. Zum einen hat man die Möglichkeit, einfach abzuschalten, zum anderen die Möglichkeit, einen körperlichen Ausgleich zu schaffen. Und ja, in vielen Bereichen, würde ich sagen, beeinflusst Ballett mein Leben. Es entstehen ja auch Freundschaften. Und es gibt auch die Aspekte Durchhaltevermögen oder Disziplin, was im Alltag oder im Studium schon teilweise hilft. Und obwohl es ja nie ein Traum war, ganz große Ziele zu erreichen, so ist es doch schön, gewissen Hürden zu überwinden. Ich habe Arbeit, Zeit und auch Motivation reingesteckt und bekomme dafür etwas zurück. Das ist schon etwas Besonderes. Aus diesem Feedback kann ich viel für mein Leben mitnehmen. Generell glaube ich, dass Ballett schon ein Stück weit identitätsbildend ist. Das nimmt Einfluss auf dein Leben. Man fühlt sich dieser Welt zugehörig und nimmt sich als Teil davon wahr.


Weißt du schon, welche Rolle Ballett in deiner Zukunft spielen wird? 

Ich glaube, das wird immer ein Teil meines Lebens sein. Auch wenn ich irgendwann nicht mehr selbst tanze, werde ich mir weiter Ballett anschauen. Ballett ist wunderschön, ein ästhetisches Erlebnis. Ich hoffe aber, dass ich das noch sehr lange machen kann. Und weil Ballett eine Sportart ist, bei der man selbst sehr gut dosieren kann, wie viel man macht, wie viel der Körper hergibt, bin ich mir sicher, dass ich das auch noch sehr lange machen kann. Meine Trainerin ist 78 Jahre und tanzt immer noch die Übungen vor. Sie zeigt, was in ihrem Alter möglich ist, und das ist echt sehr beeindruckend. 


Welche Tipps würdest du anderen Menschen geben, die überlegen, mit Ballett anzufangen?

Einfach anfangen. Natürlich ist der erste Schritt, dass man sich eine Ballettschule aussucht. Ich würde empfehlen, da Tanzen eine sehr individuelle Sportart ist, verschiedene Tanzschulen anzuschauen, um herauszufinden, wo es mit der Gruppe oder den Trainer*innen am besten harmoniert. Wichtig finde ich, dass man sich in einer Schule erstmal selbst ausprobieren kann und dass es okay ist, nicht direkt mit Spitze anzufangen. Man muss langsam starten, damit sich der Körper an diese Belastung gewöhnen kann. Es sind ja keine alltäglichen Bewegungen. Natürlich ist Gelenkigkeit sehr wichtig, dafür kann man eine Menge tun. Ein Tipp ist auf jeden Fall, es nicht zu übertreiben, also nicht direkt mit viermal die Woche Training zu starten. Gerade wenn man schon älter ist. Wobei ich ausdrücklich sage: es gibt kein „zu alt“. Ich habe ja auch relativ spät angefangen. Letztlich ist immer alles möglich. Es geht ja nur darum, dass man sich bewegt und Spaß daran hat. Und ich glaube, dass es darum für jeden Leistungsstand Einstiegsmöglichkeiten gibt. Und wenn man merkt, dass traditionelles oder klassisches Ballett nichts für einen ist, dann gibt es natürlich trotzdem verschiedenste Wege, die man gehen kann. Also Abwandlungen wie Modern oder Jazz Ballett. Es gibt die verschiedensten Zugänge zum Ballett, man muss sich nur trauen es auszuprobieren. 


» Interview: Andra Vahldiek

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